Die Anderen Götter – Volks- und Stammesbronzen aus Indien

1989 – 1994
Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln
Konzeption einer Ausstellung und einer Publikation


Projekt der UNESCO-Weltdekade für kulturelle Entwicklung.

Informationen zur Ausstellung:
Das Rautenstrauch-Joest-Museum präsentierte mit der Ausstellung „Die anderen Götter – Volks‑ und Stammesbronzen aus Indien“ eine Kunstgattung, die es zu entdecken gilt.
Aus indischen Privatsammlungen wurden rund vierhundert bedeutsame Bronzen aus Mittelindien für diese Ausstellung ausgewählt. Anhand dieser Auswahl konnte der Besucher nachvollziehen, wie die indischen Bronzegießer religiöse Vorstellungen und Ideen, die oft bis in die vorgeschichtliche Zeit zurückreichen, bildlich umsetzen. Die vielfach abstrakt anmutenden Darstellungen spiegeln die lokalen Traditionen der Mythen und Legenden über Familien‑, Dorf‑ und Gottheiten der ethnischen Gruppen, so Dämonen Geister und Ahnen wider.

Die Präsentation des Rauenstrauch-Joest- Museums machte deutlich, dass die Zeit für diese Entdeckung reif war.
Die westliche Kunst des 2o.Jahrhunderts hat unser Auge geschult und damit die Voraussetzung dafür geschaffen, die ästhetische Kraft und künstlerische Originalität dieser in Metall gegossenen Abbilder von Göttern und Göttinnen, Menschen, Tieren und Szenen zu erkennen und schätzen zu lernen.

Kennzeichnend für die traditionelle ländliche Kunst Indiens sind Darstellungen zahlloser Familiengottheiten. Diese Gottheiten werden täglich in Hausschreinen verehrt, wobei man sie rituell reinigt, ihnen Speisen anbietet und sie mit Blumen schmückt. Am Ort ihrer Herabkunft auf die Erde steht ein Tempel oder Schrein, zu dem die Anhänger regelmäßig pilgern. Oft führen die Familien die Bronzen ihres Familienschreins mit, um sie mit der Kraft des Gottes aufzuladen.

Die meisten Familiengottheiten waren ursprünglich Regionalgottheiten der Hirten, Waldbewohner und Bauern. Im Zuge der Hinduisierung Indiens wurden sie ‑ wie der in Maharashtra und Andhra Pradesh so beliebte Gott Khandoba ‑ in das Pantheon der Hindu Götter aufgenommen. Khandoba wurde so zu einer Herabkunft des Gottes Shiva auf die Erde.

Kaum bekannt sind die Gottheiten in den Hausschreinen der ethnischen Gruppen. Ihre Götterbilder werden nicht wie bei der Hindubevölkerung im offenen Schrein aufgestellt. Verschließbare Körbe und Tontöpfe sind ihr Versteck. Hier ruht ihre Kraft, die nur zu besonderen Anlässen und in dringenden Fällen durch den Priester geweckt werden darf.

Dargestellt werden die Götter und Ahnen noch in ihrer ursprünglichen Form meist als Stein, der bei  jeder Zeremonie mit rotem Farbpulver bestrichen wird. Dass auf diesen Schreinen auch Abbilder aus Metall erscheinen, ist eine jüngere Entwicklung. Dank der großen Hilfsbereitschaft vieler Stammesangehöriger ist es erstmalig möglich, die fremde Welt der Götter tribaler Gruppen Mittelindiens vorzustellen.

Zahlreiche Reiterdarstellungen der Sammlung konnten dank eingehender Recherchen im Distrikt Bastar im Distrikt Chhattisgarh sowohl als eigenständige Gottheiten wie auch als Wächterfiguren von Göttinnen identifiziert werden.

Zu besonderen Anlässen dringt der ‚Wind’ der Göttin in ihre männlichen Anhänger ein, die so zu einer Erscheinungsform der Göttin werden. In diesem Zustand tragen sie Frauenkleider, ihre Worte sind die der Göttin. Die Menschen lassen sich von ihnen wahrsagen und befragen sie beispielsweise nach der Ursache von Krankheiten.

Es gibt Bronzefiguren der Maliah-Kondh von Orissa, die als Brautgaben verwendet werden, die Mehrzahl jedoch wird rituell verehrt. In ihrer unerschöpflichen Vielgestaltigkeit gehörten die Bronzen der Maliah-Kondh von Orissa zu den eindrucksvollsten Kunstwerken der Ausstellung. Ihre Nähe zum Leben zeigt sich in Details wie dem Schmuck und der Gesichtstatauierung weiblicher Bronzefiguren.

Die dreijährige Forschungsarbeit zum Thema mit insgesamt neun Monaten Feldforschungsaufenthalt in Indien wurde von der Fritz Thyssen Stiftung Köln finanziert. Ein Projekt der UNESCO Weltdekade für kulturelle Entwicklung