Den Spuren der Götter folgen – Rituale und religiöse Ästhetik in Orissa

Ausstellungsdauer: 28. September 2008 – 14. Juni 2009
Eine Ausstellung des Völkerkundemuseums der J.& E. von Portheim-Stiftung Heidelberg, Kuratorin: Cornelia Mallebrein

Der Bundesstaat Orissa ist eine kaum bekannte Region des indischen Subkontinents. Umgeben von hohen und schwer zugänglichen Bergzügen, nur nach Osten dem Golf von Bengalen geöffnet, konnten sich bis heute religiöse und künstlerische Traditionen erhalten – einzigartig in ihrer Vielgestaltigkeit und Ausdruckskraft -, die in anderen Gebieten Indiens längst vergangen sind.

Diese Vielfalt hat ihre Wurzeln in der Vorstellungswelt der mehr als 62 Stammesgruppen, die seit Jahrtausenden diese Region prägen. Es ist die Verschmelzung des ursprünglichen Gedankenguts der „Ersteinwohner“ (Adivasi) mit hinduistischen Vorstellungen, die Orissa religionsgeschichtlich zu einer der spannendsten Regionen in Indien macht.

Die Ausstellung folgt Spuren göttlicher Präsenz in Orissa durch Raum und Zeit, sie führt den Besucher in eine Welt unbekannter Rituale und faszinierender religiöser Ästhetik.

Die Spurensuche beginnt mit der ‚wilden Göttin’. Sie ist es, die Leben und Fruchtbarkeit schenkt, aber auch nimmt. Der große Raum im Erdgeschoss zeigt verschiedene Formen der Göttin und ihre Beziehung zum lokalen Fürsten (Raja). Es geht um königliches Ritual, göttliche Legitimation, aber auch um Trance und Heilung. Der Rundgang ist ein visuell-mediales Erlebnis mit großformatigen Fotos, einem Wandelgang durch die Welt der Rajas und ihrer Rituale sowie kurzen Videosequenzen in einem Medienraum.

In den Räumen der oberen Etage folgt die Spurensuche acht Themenbereichen. Im ersten wird die für Orissa so zentrale Göttin Lakshmi vorgestellt. Sie ist zuständig für Reichtum und Fruchtbarkeit und eröffnet den Ausstellungs-rundgang. Wie Lakshmi hinterlassen göttliche Manifestationen Spuren, sie markieren und strukturieren den religiös-geographischen Raum.

Jede Gottheit hat ihren Ursprung und ihre Wirkungsgeschichte. Im Lauf der Zeit formiert sich ein Kult um sie. Die Spurensuche führt weiter zu heiligen Orten, Mythen und Legenden und zeigt ihre künstlerische Umsetzung, so in der Malerei und in Palmblattarbeiten. Sie beleuchtet Gott Jagannath, der zusammen mit seinem Bruder und seiner Schwester zu den wichtigsten Schutzgottheiten Orissa zählt und zeigt sein jährliches Wagenfest mit Tausenden von Teilnehmern.

Es sind die vielen Stammesgruppen wie die Sora und Kondh, die das religiöse Leben in Orissa so einzigartig machen. Die Spurensuche führt zu den Sora und ihrer Kommunikation mit Ahnen und Bewohnern einer jenseitigen Welt. Für die Kondh ist es die Erdgöttin, die durch ihr Selbstopfer das Leben auf Erden erst ermöglicht hat. Ihr zu Ehren werden Büffelopfer durchgeführt und Darstellungen von Menschen, Tieren und Bäumen aus Gelbguss aufgestellt. Das Göttliche findet sich auch im Menschen, und so führt die Spurensuche zu Repräsentanten von Gottheiten auf Erden, durch die sie zu den Gläubigen sprechen. Die Spurensuche endet bei der Göttin Hingula, der ‚Göttin des Feuers’, eine der bekanntesten Göttinnen in Orissa und eng verbunden mit dem Kohleabbau. Sie zeigt wie die heutige rasante Industrialisierung Orissas in alte religiöse Vorstellungen eingreift und Spannungen erzeugt.

Die Ausstellung basiert auf Forschungen, die im Rahmen eines von der DFG geförderten Schwerpunktprogramms der Universität Tübingen in Orissa durchgeführt wurden.

Zur Ausstellung erscheint eine umfangreiche Publikation in englischer Sprache mit dem Titel: The Divine Play on Earth – Religious Aesthetics and Ritual in Orissa Autoren: Cornelia Mallebrein, Heinrich von Stietencron. Synchron Publishers, 256 Seiten; 320 Abbildungen

Cover text This publication is a survey of religion and ritual in Orissa, one of the major states of the Republic of India. It encompasses the literary Sanskritic tradition as well as folk and tribal religious beliefs. Beginning with a brief historical introduction, it deals with important deities of Orissa, their healing powers, festivals and the ways of ascertaining their divine presence by means of darsana, visual communication. In addition, it analyses the sacred geography of the countryside and the symbols and meanings found in tribal art forms. The book is the result of the most current and upto-date field research and is lavishly illustrated with new and previously unpublished photos